Clemens Röger

Dublin City University

Meine Zeit an der Dublin City University

Am Abend vor dem Flug von Memmingen nach Dublin wurde es noch hektisch. Wo sind meine Kopfhörer? Habe ich auch die richtigen Ladegeräte dabei? Wie wird das Wetter in Dublin und brauche ich nur eine Regenjacke oder auch Gummistiefel, Poncho und Schirm?
Einmal angekommen lief jedoch alles nach Plan ab. Ich konnte direkt an einer Campus Tour der Dublin City University mit anderen Studenten teilnehmen, eine Infoveranstaltung mit anderen internationalen Studierenden besuchen, die Bibliothek besichtigen (in der ich noch viele lange Tage verbracht habe), und abends natürlich die lokalen irischen Getränke und Gerichte im Uni-eigenen Pub kennenlernen. Ein Pub auf dem Campus – irischer geht es wohl kaum. Dort sind die Fish and Chips sehr lecker, aber ich bleibe lieber beim Schnitzel mit Spätzlen.

Studienablauf

Nach einer Infoveranstaltung mit dem Studiengangskoordinator erhielte ich Zugänge zu allen Onlinesystemen und Informationen zu meinen Studienfächern. Ich habe zusätzlich zu den Pflichtmodulen noch Französisch gewählt, um mein Schulfranzösisch aufzubessern. An der DCU habe ich viele Franzosen kennengelernt und konnte so direkt üben, was ich im Unterricht gelernt habe, und habe wahrscheinlich auch deswegen dieses Modul mit Bestnote bestanden.

Das spannendste Modul war Digital Disruption & Sustainable Innovation – hierbei ging es um brandaktuelle Themen, wie die nachhaltige Geschäftsmodellentwicklung in Zeiten des Klimawandels und der rapiden Digitalisierung. Mir wurde anschaulich vermittelt, welchen Einfluss verschiedene Maßnahmen im alltäglichen Betrieb von Unternehmen auf die Treibhausgasemissionen haben. Dieses Modul wurde anhand einer selbst gedrehten Reportage benotet. Diese Art der Prüfung hat mir besonders gefallen, da ich dort mein Kameraequipment und Video Know-how einbringen konnte, welches ich sonst nur gelegentlich in der Freizeit anwende. Ebenso gefiel mir Development Economics – Volkswirtschaftslehre mit Fokus auf die politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung von Ländern. Besonders in Erinnerung bleibt mir die Rolle, die die USA nach dem zweiten Weltkrieg in Europa für den Wiederaufbau gespielt hat. So werden beispielsweise die Erfahrungen und Methoden des Marshall Plans noch heute auf Entwicklungsländer angewandt.

Während des Semesters gab es in jedem meiner sechs Module sogenannte „Continuous Assessments“ als Prüfungsleistungen – das waren beispielsweise Quizzes, Präsentationen, selbstgedrehte Filme und viele Essays, die abgegeben werden mussten. Nur in zwei Modulen, Personalmanagement und Finanzmärkte, gab es am Ende des Semesters schriftliche Prüfungen. Diese unterschiedliche Art der Leistungsabfrage war für mich im Vergleich zu Deutschland eine Umstellung, an die ich mich erst gewöhnen musste. Aus Deutschland war ich viele schriftliche Prüfungen zu Ende des Semesters gewohnt. Viele Projekte gleichzeitig, die alle viel vom Notenschnitt ausmachen, verlangten Koordinierungsaufwand und Zeitmanagement und das Erlernen von neuen Fähigkeiten, zum Beispiel akademisches Schreiben auf Englisch. Ich finde diesen Ansatz jedoch ebenso gut wie die Prüfungen zu Semesterende, die ich an meiner Heimatuniversität, der ESB Reutlingen, gewohnt war. Einerseits ist es im Arbeitsleben eher wie in Irland mit vielen offenen Projekte, die gleichzeitig bearbeitet werden müssen. Andererseits ist meiner Meinung nach der akademische Fortschritt und Lerneffekt größer, wenn man auf eine Klausur lernt. Dabei kann alles gefragt werden und wird bis zum Schluss des Semesters auch in den Vorlesungen mitgearbeitet. Im Gegensatz dazu haben manche Vorlesungen in Irland an Qualität und Popularität verloren, nachdem die Projektarbeiten abgeschlossen waren.

Die häufige Zusammenarbeit in Gruppenprojekten mit internationalen Gruppenmitgliedern an der DCU war ein besonderer Aspekt während des Semesters. Ich war eine klare und strukturierte Arbeitsweise in Gruppen gewohnt. Diese Arbeitsweise wird jedoch nicht von allen Nationalitäten geteilt. Die ESB Reutlingen hat mich zwar auf diese Unterschiede vorbereitet in Modulen wie Interkulturelle Kompetenzen, jedoch bleibt Theorie nur Theorie. In Irland konnte ich durch die Vielzahl an Projekten und studentischen Initiativen nun endlich auch die Praxis kennenlernen: andere Arbeitsansätze, Zeitmanagement und Fähigkeiten in Teams mit Franzosen, Spaniern und Iren boten mir die Gelegenheit, den Umgang mit kulturellen Unterschieden zu erkennen, zu verstehen und mit diesen gut zurechtzukommen. Das wird mir auf meinem zukünftigen Karriereweg mit Sicherheit viel helfen.

Besonders erwähnenswert finde ich das Campusleben und die angebotenen Möglichkeiten. Ich war bin in verschiedenen „Clubs und Societies“ Mitglied und hatte so die Möglichkeit Tennis zu spielen, Kickboxen, Go-Kart fahren, Gewichtheben, und weitere neue Hobbies auszuprobieren. Dabei konnte ich mit den Clubs auch Dublin erkunden und sowohl mit den Clubs als auch privat Ausflüge in die Natur Irlands unternehmen. Natürlich gab es immer mehr Angebote als man wahrnehmen konnte – was nicht selten zur Abwägung zwischen Vorlesung und Vergnügen führte. Hier war ein gutes Zeitmanagement wichtig, um keine wichtigen Inhalte zu verpassen und dennoch viel von Dublin zu sehen.

Gastvorlesungen mit Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik wurden auch angeboten. Ein Highlight war sicherlich ein Gastvortrag zur Luftfahrtindustrie mit dem CEO von Ryanair, Michael O’Leary. Aber auch andere Themenbereiche konnte man kennenlernen, wie zum Beispiel beim Astronomieabend der naturwissenschaftlichen Fakultät, oder einem Workshop zur Arbeit der EU.

In meiner Zeit in Dublin konnte ich bereits sehr viel lernen. Akademisch habe ich meine Arbeitsgeschwindigkeit in der Recherche und im Schreiben verbessern können und finde mich jetzt gut in der englischsprachigen akademischen Literatur zurecht. Professionell konnte ich insbesondere meine Fähigkeiten im Teamwork, Kommunikation, Zeitmanagement und strukturierten Arbeiten verbessern. Persönlich kann ich auf einige sportliche Erfolge und viele großartige Erfahrungen mit Freunden auf Konzerten, in der Natur, auf der Rennstrecke oder im Pub zurückblicken.

Besonders hervorheben möchte ich die interkulturellen Erfahrungen, die ich in keinem anderen Umfeld bis dato erlebt habe. Für diese Möglichkeit möchte ich mich ganz herzlich bei der Alexander-Spohn-Stiftung und der DAAD-Stiftung bedanken und kann meine Erfahrungen jedem nur weiterempfehlen, der selbst neugierig ist und aus seiner Komfort-Zone heraus kommen möchte!